Diese Woche habe ich das Wort an die liebe Svenja übergeben, die der ein oder andere womöglich schon aus dem buntezebras #get-together kennt. Svenja ist in ihrer Jugend an Magersucht erkrankt und hat auf ihrem Weg den Zugang zur persönlichen Weiterentwicklung, insbesondere aber den Zugang zu ihrem Unterbewusstsein durch Hypnose gefunden. Heute hilft sie als Mindset- & Selbstliebe-Coach wie auch als Hypnose-Therapeutin Frauen jeder Altersklasse dabei, ihre Einzigartigkeit wiederzuentdecken und voller Vertrauen das wahre Selbst zu leben.
Für diesen Gastbeitrag habe ich sieben Fragen an Svenja gestellt, die sie ehrlich und frei vom Herzen beantwortet hat. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen ♥ Am besten schnappst du dir noch schnell einen Block & einen Stift, um dir Notizen zu machen. Denn: Hier stecken ganz viele wertvolle Erkenntnisse drin.
1.) Welche Rolle hat die persönliche Weiterentwicklung in deinem Heilungsprozess gespielt?
Hier ist die Frage zunächst einmal, wie du „persönliche Weiterentwicklung“ definierst.
Ich glaube, wer in einer Essstörung steckt und da raus möchte, muss sich zwangsläufig weiter „entwickeln“, denn die Essstörung ist ja ein Zeichen, dass etwas in deinem Leben nicht im Einklang mit deiner Wahrheit ist.
Tatsächlich finde ich das Wort „entwickeln“ sehr passend. Denn dabei geht es gar nicht darum, etwas an sich zu verändern oder „besser“ zu werden, sondern viel mehr darum, alles loszulassen, was du nicht bist und was dir nicht gut tut. Du „ent-wickelst“ also all die Schichten, die sich über die Jahre über dein wahres selbst gelegt haben.
Die klassische „Persönlichkeitsentwicklung“ wurde für mich sehr von Bedeutung, als die Ärzte und Therapeuten mich aufgegeben und meinen Eltern verkündet haben, dass ich wahrscheinlich nicht mehr lange leben werde. Denn irgendetwas in mir wusste, dass das nicht stimmt. Also habe ich angefangen, meinen eigenen Weg zu suchen.
Ich bin von zu Hause ausgezogen, hatte all meine Freunde verloren und ging nicht mehr zur Schule. Also hatte ich sehr viel Zeit. Ich habe mich Tag und Nacht mit Psychologie, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstliebe und Spiritualität beschäftigt und es hat mir sehr viel Kraft gegeben, weil ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, ein Stück meines wahren Ichs wiedererkannt zu haben. Außerdem ging es mal endlich nicht um Essen. Mir hat die Persönlichkeitsentwicklung sehr geholfen. Sie hat mich auf den richtigen Weg gebracht.
Allerdings kam ich irgendwann an einen Punkt, an dem ich alles verstanden habe, die negativen Gefühle und die Angst aber immer noch stärker waren. Ich konnte nicht umsetzen, was ich wusste.
Und dann bin ich auf das Thema „Unterbewusstsein“ gestoßen und es hat „Klick“ gemacht:
Denn ich habe verstanden, dass ich mit meinem bewussten Denken, das nur 5% unseres Wesens ausmacht, meine Gefühle und mein Unterbewusstsein, die 95% unseres Wesens ausmachen, nicht verändern kann.
Ich war so fasziniert, dass ich angefangen habe, ganz viel zu diesem Thema zu lernen (das tue ich bis heute).
Mit Hilfe einer Hypnosetherapeutin habe ich es geschafft, entscheidende Blockaden zu lösen, mein Wissen umzusetzen und meine Gefühle umzuprogrammieren.
Ich liebe das Thema so sehr, dass ich bis heute immer weiter darüber lerne und die Arbeit mit dem Unterbewusstsein, unter anderem auch als Hypnose-Therapeutin, zu meinem Beruf gemacht habe.
2.) Wie bist du mit Rückfällen umgegangen?
Ich hatte keine klassischen „Rückfälle“. An sich bin ich aber jahrelang jeden Tag daran „gescheitert“, das umzusetzen, was ich eigentlich tun wollte. Ich wollte gut mit mir umgehen und gesund sein. Ich habe mir 1000 Pläne geschrieben, wie ich es schaffen kann und bin trotzdem jeden Tag ins Bett gegangen und NICHTS war anders. Aber: Weder mein damaliges Verhalten noch jeden anderen Rückfall würde ich als „Scheitern“ bezeichnen.
Wenn du wirklich gesund werden möchtest und dein Bestes gibst, hast du es schon „geschafft“.
Ok, vielleicht hast du nicht sofort das erreicht, was du erreichen wolltest. Aber du hast es versucht. Du bist losgegangen. Du wolltest es. Und ja, vielleicht hat es nicht geklappt. Vielleicht bist du hingefallen. Doch solange du wieder aufstehst und es am nächsten Tag nochmal versuchst, ist das ok.
Du kannst dich auch fragen, was du aus dem „Scheitern“ oder deinem „Rückfall“ gelernt hast. Denn offensichtlich gibt es noch etwas in dir, das dich blockiert hat. Anstatt jetzt in eine negative Haltung zu verfallen, kannst du Detektiv spielen und die Blockade suchen und erforschen, um besser mit ihr umgehen oder sie gar auflösen zu können.
3.) Wie bist du mit Ängsten umgegangen (Angst vor der Zunahme, Angst vor bestimmten Lebensmitteln, etc. ?)
Eine lange Zeit bin ich gar nicht mit meinen Ängsten umgegangen. Ich habe mich einfach 100% von ihnen kontrollieren lassen.
Irgendwann kam der Punkt, an dem meine Angst noch länger in der Essstörung zu bleiben so groß wurde, dass meine anderen Ängste kleiner wurden und ich anfangen konnte, Babyschritte in Richtung Heilung zu machen. Trotzdem war ich noch sehr unter der Kontrolle meiner Ängste, einfach, weil mein Nervensystem und mein Unterbewusstsein noch so auf Gefahr programmiert waren, dass sie mich immer überkamen.
Erst als ich angefangen habe, mit dem Unterbewusstsein zu arbeiten und mein Nervensystem umzuprogrammieren, waren sie weniger überwältigend und ich war mehr in meiner Kraft.
Die Ängste waren nicht komplett weg, aber ich habe mir das dann so vorgestellt:
Ich sitze im Auto und die Angst darf ruhig mitfahren, es ist ok, dass sie da ist. Aber sie sitzt auf der Rückbank und ICH habe das Steuer in der Hand. ICH entscheide, wo es lang geht.
Eine weitere Sache, die mir sehr geholfen hat, war, die Vorfreude auf das, was hinter der Angst liegt, größer werden zu lassen als die Angst selbst.
4.) Welchen Effekt hatte das Alleinsein bzw. -wohnen auf deinen Weg?
Alleinsein war meine allergrößte Angst. Diese Angst war auch ein Grund, dass ich mich so lange nicht von der Essstörung lösen konnte. Ich hatte so Angst allein zu sein. Ich hatte Angst vor all den Gefühlen, die hochkommen würden. Ich hatte Angst, für Niemanden wichtig zu sein und keine Liebe mehr zu bekommen.
Während meiner Essstörung war ich zwar auch allein - wenn nicht sogar extrem einsam – allerdings habe ich mich ja immer mit meiner Essstörung abgelenkt. Sie war meine einzige „Freundin“. In der realen Welt hatte ich keine Freunde mehr.
Als ich begann, meinen eigenen Weg zu suchen, gab es zu Hause viele Konflikte, weil ich mich so abhängig von der Liebe meiner Mutter gemacht hatte (sie musste mir jede Minute sagen, dass sie mich lieb hat und dass ich das schaffe - sonst bin ich komplett ausgerastet). Das hat mir so viel Energie geraubt. Ich musste einsehen, dass ich so niemals die Kraft haben werde, gesund zu werden.
Also musste ich mich meiner allergrößten Angst stellen: Ausziehen. Allein wohnen, ohne Schule, ohne Freunde. Nur der Wald, neben dem ich gewohnt habe, und ich.
War das schwierig? Ja.
Hatte ich Angst? Riesige Angst.
Hat es sich gelohnt? Hell yes.
Als es so weit war, hatte ich die Wahl: Entweder lenke ich mich weiterhin mit meiner Essstörung ab oder ich stelle mich meinen Gefühlen. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Denn ich wollte kein Leben auf der Flucht mehr. Ich wollte nicht ständig vor mir selbst wegrennen. Ich war müde.
Und das war das Beste, das ich je getan habe. Hätte ich mich nicht mit mir auseinandergesetzt und die Beziehung zu mir geheilt, wäre ich niemals gesund geworden. Denn es geht einfach nicht ums Essen, sondern um die Beziehung zu dir selbst. Wer eine gute Beziehung zu sich selbst hat, hat keine Essstörung.
5.) Wie hat Social-Media dich beeinflusst? Wie gehst du heute damit um?
In der Zeit meiner Recovery war Social-Media durch und durch toxisch für mich. Damals gab es noch nicht so tolle Recovery Accounts, wie den von Saskia. Ich bin 1000en Mädels gefolgt, die jeden Krümel, den sie aßen, gepostet haben und ich habe mir das natürlich stundenlang angeguckt.
Als ich dann wirklich gesund geworden bin, bin ich ALLEN „Recovery“-Accounts entfolgt. Stattdessen habe ich mich nach Accounts umgesehen, die sich mit Themen wie „die Beziehung zu dir selbst“, Gedanken und Gefühlen auseinander gesetzt oder das Leben verkörpert haben, das ich gerne leben wollte.
Meinen KlientInnen rate ich immer Folgendes:
Es ist ok, Recovery-Content zu konsumieren. Aber schau, dass du ihn dann auch umsetzt, bevor du weiter konsumierst. Was schnell passiert, ist nämlich, dass man sich stundenlang anschaut, wie andere gesund werden und man dabei das Gefühl bekommt, etwas gegen die eigene Essstörung zu tun. Immerhin „informiert“ man sich ja. Die Wahrheit ist, dass man einfach nur zuschaut, wie andere es schaffen.
Heute konsumiere ich zwar keinen Recovery-Content mehr, aber ich lebe nach dem Motto „create over consume“.
Das heißt, dass ich immer darauf achte, mehr mit meiner eigenen Kraft zu kreieren und verstärkt meinem Herzen zu folgen als durch Social-Media zu scrollen.
6.) Wo stehst du heute? Was möchtest du beitragen in dieser Welt?
Heute bin ich mehr ich selbst als je zu vor. Ich gehe meinen ganz eigenen Weg. Ich höre auf mein Herz und liebe das Leben noch viel intensiver als vor meiner Essstörung. Natürlich habe auch ich Momente, in denen es mir nicht gut geht, denn ich bin ja auch nur ein Mensch. Aber für mich sind diese Momente nichts Schlimmes mehr und ich kann damit sehr gut umgehen.
Und das alles wäre nicht der Fall, wäre ich nicht durch die Essstörung gegangen. Auch wenn das absolut keine schöne Zeit war, hat sie mich so stark gemacht, so viel gelehrt und mich aufgefordert, mir wieder zu erlauben, ich selbst zu sein und dafür bin ich unheimlich dankbar.
Mein größter Wunsch ist es, jetzt die Person zu sein, die ich mir immer sein wollte. Ich wünsche mir, dass jeder Mensch auf dieser Erde das Geschenk in der eigenen Einzigartigkeit erkennt und lernt, sowohl sich selbst als auch andere wieder aus den Augen der Liebe zu betrachten.
Als Hypnose-Therapeutin, Coach und Yoga-Lehrerin unterstütze ich Frauen in allen Altersklassen genau dabei. Auf ihrem Weg der Selbstfindung, Heilung und Selbstliebe, damit auch sie in ihrer vollen Kraft und Freude leben können. Das Unterbewusstsein ist dabei immer noch mein Lieblingsthema, weshalb ich es viel in meine Arbeit einfließen lasse.
7.) Gibt es noch etwas, das du loswerden möchtest?
1.) Deine Essstörung und dein Heilungsweg sind anders als die Essstörung und der Heilungsweg aller anderen. Es kann helfen, sich zu informieren und sich auszutauschen, aber nur du kannst deinen eigen Weg finden und gehen. Dein Körper und Herz wissen am besten, was du brauchst. Und wenn du ganz ehrlich mit dir bist, hast du alle Antworten in dir.
2.) Versuche, dich nicht so stark auf das Essen zu fokussieren. Das ist nicht dein Problem. Frag dich immer, was dahinter steht. Frag dich, was du über dich selbst denkst. Frag dich, welche Gefühle dich überwältigen und was dich davon abhält, liebevoll mit dir selbst zu sein.
3.) Du kannst alles schaffen. Egal, wie lange du schon eine Essstörung hast, was andere sagen & wie oft du schon „gescheitert“ bist. Wenn Saskia und ich es geschafft haben, kannst du es auch. Niemand ist besser oder stärker als du.
Ok, es gibt doch eine 4. Sache: Danke an Saskia, dass du diesen Raum mit so wertvollen Inhalten schaffst ♥
A️lles Liebe,
deine Svenja
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